“Erschwinglichkeit von Arzneimitteln – Wie findet man einen fairen Preis für Arzneimittel?” – Akteure diskutieren auf einem AIM-Seminar über den Ausweg aus überhöhten Preisen

24.11.2021

Zur Eröffnung sprachen Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), sowie Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Prof. Hecken beschrieb die Preisbildungsmechanismen in Deutschland und die Rolle des G-BA. Die Preisbildung basiere auf Verhandlungen zwischen den Krankenversicherern, Ärzten und Patienten im G-BA und der Pharmaindustrie. Aktuelle Herausforderungen seien kombinierte Krebstherapien, bei denen die abschließende Behandlung den Preisrahmen für alle vorherigen medikamentösen Therapien setzt, sowie mangelnde Daten über den therapeutischen Mehrwert personalisierter Arzneimittel (wo randomisierte klinische Studien unethisch wären). Der G-BA beteilige sich aktiv am EUnetHTA-Methodologieprojekt, welches eine wesentliche Rolle dabei spiele, eine gerechte Methodologie zur Bewertung medizinischer Mehrwerte zu entwickeln und faire Arzneimittelpreise zu erreichen.

Thomas Ballast präsentierte die Preisstrukturen in Deutschland und das AIM-Modell für gerechte Arzneimittelpreise. Der Start des AIM-Simulators für gerechte Arzneimittelpreise im Juni 2021 habe die TK zu einer Studie motiviert, welche die mögliche jährliche Ersparnis unter Anwendung des Fair-Preis-Simulators in einer Gruppe von sieben Medikamenten auf 13 Mrd. € schätzt. Angesichts steigender Ausgaben bestehe Handlungsbedarf hinsichtlich der Bepreisung neuer medizinischer Produkte. Thomas Ballst zufolge verbindet der AIM-Simluator ökonomische relevante Faktoren und berücksichtigt in angemessener Weise das Innovationspotenzial eines Produkts. Neben substanziellen Einsparungen könne der Simulator neue Referenzwerte für die Preisbildung schaffen. Daher müsse, so Ballast, das Modell der AIM bei einer Reform der Preisbildungsmechanismen Berücksichtigung finden.

Zur ersten Podiumsdiskussion begrüßte die AIM Anne Hendrickx (Solidaris), Momir Radulović (Slowenische Agentur für Medizinprodukte und Medizingeräte), Ward Rommel (ECL), Ancel·la Santos Quintano (BEUC) und Annabel Seebohm (CPME). Bei ihrer Multistakeholder-Sicht auf das Thema faire Preisbildung wurde betont, dass der Simluator deutlich machen könne, was die Gesellschaft für neue Arzneimittel zu zahlen bereit sei. Sie forderten größere Transparenz hinsichtlich der einem Medikament zugrunde liegenden Kosten, einige Teilnehmer sahen auch die Möglichkeit, den Simulator für Mittel gegen COVID-19 oder im Rahmen gemeinsamer Beschaffungsstrategien zu nutzen.

In der zweiten Gesprächsrunde beschrieben Ulrike Elsner (vdek), Ton van Houten (ZN und Zorg en Zekerheid), Christoph Kilchenmann (santésuisse) und Rain Laane (EHIF) den Arzneimittelzugang in ihren Ländern. In Deutschland war dies auch Teil der jüngsten Koalitionsverhandlungen. Rund 20% der Krankenkassenausgaben gehen auf pharmazeutische Produkte zurück (50 Mrd. €), zudem steigen die Preise für neue Medikamente. Ton van Houten verwies auf die Notwendigkeit zwischenstaatlicher Kooperation. Das Modell für gerechte Preise solle zur konkreten Anwendung kommen, um idealerweise EU-weit einheitliche Arzneimittelpreise zu schaffen. Rain Laane hält es für erforderlich, die Ausstellung ergänzender Schutzzertifikate zu begrenzen, die Anreize für die Entwicklung von Medikamenten für selten Leiden neu zu gestalten, die Kostentransparenz zu erhöhen und im Falle von Gesundheitskrisen die Versorgungssicherheit über eine geeignete Lieferstrategie zu sichern. Christoph Kilchenmann gab einen Einblick in das Schweizerische Preissenkungserfahren, welches dazu beitrug, in der Schweiz die Kosten für Arzneimittel zu reduzieren.

 

Berlin, 17.11.2021: Sitzung des Vorstands der AIM (Association Internationale de la Mutualité) im Hotel Scandic. Foto: © Jens Jeske/AIM

Berlin, 17.11.2021: Sitzung des Vorstands der AIM (Association Internationale de la Mutualité) im Hotel Scandic. Foto: © Jens Jeske/AIM

Berlin, 17.11.2021: Sitzung des Vorstands der AIM (Association Internationale de la Mutualité) im Hotel Scandic. Foto: © Jens Jeske/AIM

Berlin, 17.11.2021: Sitzung des Vorstands der AIM (Association Internationale de la Mutualité) im Hotel Scandic. Foto: © Jens Jeske/AIM